Ein wahrer Glücksfall für das Oberurseler Literaturleben begann im Jahre 1954, als der eigenwillige, Verleger der Eremiten-Presse Victor Otto Stomps aus Geld- und Platzmangel seine Verlagsdruckerei von Frankfurt nach Stierstadt verlegte: Eine alte Fachwerkscheune am Bahndamm wurde zu seiner „Eremitage im Taunus“, zu seinem „Schloss Sanssouris“. 

Victor Otto Stomps (1897-1970), genannt VauO, genannt St. Mops oder Weißer Rabe, war ein Verleger der besonderen Art. Zum einen legte er großen Wert auf die bibliophile Gestaltung seiner Bücher, die sich durch besondere Druckverfahren, außergewöhnliche Papiermaterialien und Formate auszeichneten. Zum anderen verstand er sich als Geburtshelfer für junge, noch unbekannte Autoren. Nicht der wirtschaftliche Erfolg, sondern das Verlegen von Neuem, Niedagewesenen reizte ihn. Schon im Berlin der dreißiger Jahre folgte er diesem Modell in seinem ersten Verlag die Rabenpresse.  In Stierstadt bot er nun mit der Eremiten-Presse angehenden Schriftstellern wie Christoph Meckel, Gabriele Wohmann, Johannes Bobrowski oder Christa Reinig eine lehrreiche Spielwiese. Seine Leidenschaft für das Büchermachen, sein unkonventionelles Arbeitsethos, sein Händchen für die angehenden Stars der deutschen Literaturbühne, seine Persönlichkeit und seine Lebensweise bildeten eine so konsequente Einheit, dass Stomps schon zu Lebzeiten Kultstatus erhielt. Auch als Autor griff Stomps immer wieder zur Feder, was 1965 mit dem Fontane-Preis gewürdigt wurde. Bemerkenswerte Texte, wie die „Fabel vom Bahndamm“ oder die poetische Biographie „Gelechter“ sind in Stierstadt entstanden. 

1967 verkaufte Stomps seinen Verlag an seine beiden Mitarbeiter Dieter Hülsmanns und Friedolin Reske und ging zurück nach Berlin. Dort gründete er seinen dritten Verlag: Die Neue Rabenpresse. Mit Hilfe seiner Berliner Freunde entstanden noch einige schöne Bücher. Dann verschlechterte sich seine Gesundheit rapide. Am 04. April 1970 starb Victor Otto Stomps in Berlin.

Noch bis 1972 ratterten im Schloss Sanssouris die Druckmaschinen. Die alten Zeiten waren nun vorbei.  Hülsmanns und Reske arbeiteten sich schnell mit viel Gespür und Feinsinn in das Drucken und Verlegen von Büchern ein. Wie Stomps hielten sie sich an das Abseitige, aber anders als er setzten sie dabei auf nun bereits prominente Namen wie Gabriele Wohmann oder Christa Reinig. Der wirtschaftliche Aspekt spielte jetzt doch eine Rolle. Als der Verlag 1972 nach Düsseldorf umzog, lief alles schon wie am Schnürchen. Die Eremiten-Presse lebte weiter und druckte und verlegte bis 2010 in handwerklich hochwertigen, bibliophilen Ausgaben und in geringer Auflage weiterhin ausschließlich die kurze Form. (Gudrun Dittmeyer)